Was kann Europa gegen den islamischen Terrorismus tun?

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Nachdem der erste Schock der Anschläge vergangen ist, ist nun die Zeit gekommen, über den Terrorismus zu reden, über seine Quellen und darüber, wie man neue Angriffe verhindern kann. Beginnen wir damit, dass die «progressive» Betrachtungsweise des Nahen Ostens, die von einer schrittweisen Demokratisierung der arabischen Welt ausging, sich offensichtlich als falsch herausgestellt hat. Nach Jahrzehnten unter der Herrschaft gemäßigt-säkularer Diktaturen hat die breite arabische Masse nicht Demokratie, Liberalismus und die Bewegung in Richtung Erste Welt gewählt, sondern den Rückschritt in eine prämoderne Archaik, neben der die gemäßigt-säkulare Diktatur wie ein zivilisatorischer Durchbruch wirkt. Am auffallendsten zeigte sich diese Tendenz in Ägypten, wo im Zuge absolut demokratischer Wahlen der gestürzte Diktator von der Muslim-Bruderschaft abgelöst wurde. Im Endeffekt musste der demokratische Sieg der islamischen Partei von einem Militärputsch blockiert werden, im Zuge dessen die islamischen Demokraten mit Maschinengewehren erschossen und von Panzern zerquetscht wurden. Dies geschah mit dem verwirrten Schweigen des Westens im Hintergrund (besonders amüsant traten die USA auf, denen das Gesetz verbietet, Militärjuntas militärisch zu unterstützen — mit Schamesröte im Gesicht erklärten die Vertreter des State Department, dass es doch gar keine Junta ist, wenn das Militär die Macht an sich reißt, sondern, nun ja, alternative Demokratie!).

Weiterhin zeigt der Aufstieg des Islamischen Staates, dass die «Modernisierung» der arabischen Welt nur oberflächlich ist und dass die arabischen Staaten lediglich Kunstgebilde darstellen, die eine Konfrontation mit kleinen, aber erbosten religiös-politischen Bewegungen nicht überleben. Mit Hilfe der USA und der Sowjetunion konnte ein «säkularer Naher Osten» dargestellt werden, doch sobald die Weltmächte zurücktraten, warf die indigene Bevölkerung die Erstlinge der Zivilisation ab und begab sich in eine schockierende Barbarei. Der berühmt-berüchtigte «Arabische Frühling», den Putin so hysterisch kritisierte («Versteht ihr überhaupt, was ihr angerichtet habt?»), hat den Zerfall der künstlichen staatlichen Golems nur beschleunigt. Zweifellos hätte auch der natürliche Tod beispielsweise Gaddafis gleichfalls dazu geführt, dass alle möglichen libyschen Stämme ihren Anteil am Staat gefordert und einen Bürgerkrieg losgetreten hätten. Ebenso hätte die Herrschaft der Alawiten über die Sunniten in Syrien früher oder später zu einem neuen Krieg geführt. Auch der Irak ist aus drei Teilen (sunnitisch, schiitisch, kurdisch) zusammengeflickt, die keinen Grund haben, in einem vereinigten Staat zu existieren.

Die Moderne ist im Nahen Osten gescheitert, es haben sich keine politischen Nationen herausgebildet, der panarabische Superstaat ist im Keim erstickt, und nun haben wir im 21. Jahrhundert tausende Stämme, die sich zu religiös-politischen Blöcken zusammenschließen. Die überlebenden Staaten treten in den Hintergrund und treten nur als zweitrangige Akteure auf, die neben religiöser und Stammesloyalität an Bedeutung verlieren. Dementsprechend kann man sich dumm stellen und «Wenn Gaddafi nur an der Macht geblieben wäre!» vor sich hinmurmeln. Oder aber man kann zugeben, das selbst wenn Gaddafi noch einige Jahrzehnte weitergelebt hätte, der Nahe Osten dennoch keine handlungsfähigen Nationen, die in der Lage gewesen wären, Nationalstaaten zu organisieren und zu unterhalten, hervorgebracht hätte. Das Gleiche gilt für Indien, wo eine irrsinnige Anzahl von Stämmen mit unterschiedlichen Dialekten, Kasten, religiösen Überzeugungen und Vorstellungen von der Zukunft für eine «indische Nation» ausgegeben wird. Sollte Indien zerfallen (beispielsweise durch einen von China vorangetriebenen Konflikt mit Pakistan), erwartet uns auf dem indischen Subkontinent ebenfalls eine «arabische» Situation.

Für Russen, die daran gewöhnt sind, dass es von Kaliningrad bis Wladiwostok ein Volk, einen Staat und einen Herrscher gibt, und schon vor Jahrhunderten selbst Rudimente tribalistischen Denkens verloren haben, sind die tausenden arabischen Stämme, die keine Staaten errichten können, die die Grundidee eines Staates nicht verstehen, die sich nicht als ein Volk verstehen und nach dem Prinzip «alles für unseren Staat zusammenklauen, nach uns die Sintflut», nur schwer vorstellbar. Im innenpolitischen Diskurs Russlands fasst der Gedanke, dass es keinen Irak mehr gibt («Wie, es gibt keinen Staat? Geht das etwa?) und dass Syrien ein Pseudonym für den Alawiten-Clan ist, den andere Clans unterstützen, die vom Ungläubigenkonzept des Islamischen Staates nicht sonderlich begeistert sind.

Zur Verständnis der tribalistischen Natur des Nahen Ostens dient das Beispiel der amerikanischen Operation «Anbar Awakening» in der gleichnamigen irakischen Provinz, die 2006 begann. Die an dem Versuch, die irakische Bevölkerung über formale staatliche Mechanismen zum Kampf gegen Al-Qaida zu mobilisieren verzweifelten Amerikaner bauten direkten Kontakt zu Stammesoberhäuptern auf und versprachen ihnen Waffen und Unterstützung, woraufhin eine Koalition aus 30 Stämmen aufgebaut wurde, die recht erfolgreich die Djihadisten bekämpfte. Die reguläre irakische Armee lief davon — ein Araber wird nicht für den «Irak» kämpfen, er versteht kaum, was damit gemeint ist, aber die Stammesmilizen kämpften erfolgreich gegen Al-Qaida — wenn der Stammesälteste befiehlt, das gekämpft wird, dann wird auch gekämpft. Ebenso illustriert die Armee Saudi-Arabiens die Stammesspezifik. Trotz großzügigem Etat bleibt diese ungeeignet für echte Schlachten und hält kaum den Kampf gegen die Huthi. Die Huthi sind eine religiöse Sekte, ein vorstaatlicher Bund aus Stämmen, während Saudi-Arabien ein Staat ist, der es nicht schafft, seinen Soldaten Loyalität einzuimpfen.

Nun, da wir festgestellt haben, das das Projekt eines «staatlichen» Nahen Ostens gescheitert ist und dass das derzeitige Chaos nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, sondern den für diese Region natürlichen Zustand darstellt, können wir darüber diskutieren, was die europäische Zivilisation mit den Arabern anstellen sollte.

Erstens, so denke ich, ist eine Reformation des Islam vonnöten, d.h. eine Standardversion des Islam, die die blutrünstigen Gebote metaphorisch umdeutet und Millionen von Muslimen erklärt, dass «Djihad» bedeutet, dass man beten, fasten und sich zweimal am Tag die Zähne putzen muss. Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Reform des Islam ist Saudi-Arabien, welches den Wahhabismus fördert, welcher zugunsten eines «reinen», wörtlichen Islam alle möglichen Interpretationen ablehnt. Wahhabismus (der die Staatsreligion Saudi-Arabiens ist) ist ein Teil der salafistischen Bewegung, aus der unter anderem der Islamische Staat erwachsen ist. Zur Förderung des Wahhabismus gibt Saudi-Arabien Milliarden von Dollar aus: für Artikel in Fachzeitschriften, Fernsehsendungen, religiöse Lehranstalten in Saudi-Arabien und anderen Staaten, die Förderung der «richtigen» Prediger in vielen Staaten und die Unterstützung radikaler Bewegungen in der ganzen Welt.

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«Warum gab es früher keinen so massiven islamischen Terror?» — weil es früher keinen reichen und mächtigen Staat gab, der Milliarden Dollar (einige Forscher geben eine Zahl von 100 Milliarden $ an, die Saudi-Arabien allein für Propaganda und Unterstützung des islamischen Radikalismus ausgegeben hat) in die Förderung einer radikalen islamischen Ideologie investiert hat. Wir können nicht von einem «friedlichen Islam» sprechen, solange Saudi-Arabien nicht aufhört, in seiner derzeitigen Form zu existieren. Solange werden alle Versuche der Förderung eines «friedlichen Islam» auf erbitterten Widerstand der saudi-arabisch unterstützten Radikalen stoßen. Darum muss man, wenn man von der Lösung der Frage des islamischen Terrorismus spricht, auch das wichtigste nennen:

Saudi-Arabien muss in seiner derzeitigen Form liquidiert werden, die von Saudi-Arabien geschaffenen Netzwerke müssen entkräftet und vernichtet werden.

Selbstredend führt diese Fragestellung zum nächsten Gedanken — Saudi-Arabien wird nicht von allein zerfallen, es braucht dabei Hilfe. Und um ihm richtig zu helfen ist eine ernsthafte Einmischung der USA und Europas in die Belange des Nahen Ostens vonnöten.

Grob gesprochen stehen wir vor der Notwendigkeit einer neokolonialen Ideologie, einer «Bürde des Weißen Mannes 2.0». Offensichtlich sind die Araber, die nach dem Fall ihrer Diktaturen in ein Stämmechaos zurückgefallen sind, nicht fähig, stabile, gedeihende Gesellschaften zu errichten und brauchen dabei Hilfe. Im Grunde genommen geht es um eine Abkehr vom Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker, da die Selbstbestimmung unserer geschätzten arabischen Freunde in Form eines neuen Kalifates absolut inakzeptabel ist und alle demokratischen Spiele im Irak und in Afghanistan dazu führen, dass einzelne Stämme an die Macht kommen, die sofort anfangen, andere Stämme zu terrorisieren, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern. Die Araber kommen alleine nicht zurecht, ihnen müssen die Erwachsenen helfen. Das Gleiche kann man im Übrigen auch von der Ukraine sagen, die zwar noch nicht das Stadium der Stammesgesellschaft erreicht hat, aber eifrig auf dem Weg ist, das Land in ein Konglomerat oligarchischer Clans zerfallen zu lassen.

Der zweite Pfeiler der Ideologie des Neokolonialismus muss die Lossagung von der Idee der universellen Menschenrechte sein — allein deshalb, weil keine Ressourcen genug wären, um diese Rechte im Nahen Osten aufrechtzuerhalten. Die europäische Zivilisation kann ihre inneren Normen nicht auf nichteuropäische Völker und Zivilisationen ausweiten, da dies erstens wirtschaftlich unmöglich ist und zweitens Völker, die keine Epoche der Aufklärung durchgangen sind, Humanismus nicht als Gesellschaftsvertrag wahrnehmen, sondern als die Dummheit eines naiven Opfers. Mit allen entsprechenden Folgen für das naive Opfer (siehe die kurze, aber lebhafte Geschichte der Demokratie im Irak und in Afghanistan). Man kann sagen, dass das Rassismus, Faschismus etc. ist, aber man kann auch sagen, dass die Erziehung eines lernunwilligen Schülers eine gewisse Strenge erfordert, ohne die sich der Unterricht vom Lernprozess zur Tortur des Lehrers wandelt. Gleichfalls sollte angemerkt werden, dass Rassismus, Faschismus etc. sich Ausbeutung und Vernichtung der «falschen» Völker zum Ziel gesetzt werden, Neokolonialismus sich aber zur Aufgabe macht, stabile, gedeihende Staaten außerhalb Europas zu bilden.

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Der Dritte Pfeiler der Ideologie des Neokolonialismus muss das Konzept einer Pflicht arabischer Migranten gegenüber ihren Landsleuten im Nahen Osten sein. Sie sind ein Araber, Sie haben die europäische Zivilisation akzeptiert, also ist es Ihre Pflicht, zu Ihren Brüdern zurückzukehren und sie zu belehren. Millionen von Flüchtlingen, die in der europäischen Zivilisation gelebt haben und in ihre Heimat im Nahen Osten zurückkehren, sind ein unbezahlbares Kaderreservoir für die Schaffung lokaler Verwaltungsapparate, eines Bildungssystems etc. Gerade die «europäischen Araber» müssen der Keil des Neokolonialismus sein, den Kern des Expeditionskorps bilden, garantieren, dass Massen von Menschen mit (fast) europäischer Mentalität dort ankommen, die das Fundament der nahöstlichen Rekonstruktion bilden.

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Der vierte Pfeiler ist Realismus. Ja, wir alle würden im Nahen Osten gerne Demokratie und moderne Staaten sehen, aber in der Realität gibt es dort Stämme und religiöse Gruppierungen. Deswegen muss auch mit Stämmen und Clans gearbeitet werden, statt anstelle der kollabierten Staaten neue Golems zu erfinden, die ebenso kollabieren werden. Ein gutes Beispiel ist hier der Abschuss des russischen Flugzeuges über Sinai. Sinai ist ein Teil Ägyptens, Ägypten ist schuld und so weiter, aber in der Realität befindet sich dort ein Stammesgebiet von Beduinen, wo Gott weiß was passiert. Einen «Staat» nach unserem Verständnis gibt es dort nicht. Um den Anschlag aufzuklären sollte man nicht die Ägypter (die selbst kaum wissen, was im Sinai geschieht) rufen, sondern ein paar Geschenke einpacken, den «Bakschisch» vorbereiten und zu den Stammesältesten fahren, ohne die ägyptischen Staatsstrukturen zu konsultieren. Ein stabiler Naher Osten wird in dem Moment möglich, wenn die Europäer akzeptieren, dass der Staat nicht die einzige Form sozialer gesellschaftlicher Organisation ist, und dass eine Zone freier Stämme mit Verwaltern aus Europa wesentlich realistischer ist.

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Der fünfte Pfeiler ist die Lossagung vom Multikulturalismus. Ja, es gibt verschiedene uralte Kulturen und Religionen, deren Spiritualität uns begeistert, ja, kaum einer kann bei den Tänzen der Hottentotten gleichgültig bleiben und überhaupt sind Lehmhütten mit Strohdächern ein unersetzlicher Teil des Erbes der Menschheit, aber nur die europäische Zivilisation ist in der Lage, die Welt zu Freiheit, Fortschritt und Wohlstand zu führen. Nur europäische Werte können den ewigen Krieg stoppen und Hass und Gewalt durch Fortschritt ersetzen. Allein der Gedanke, diese Werte könnten gleichwertig mit den Werten der Hottentotten sein ist lächerlich und wird von den Hottentotten als Schwäche ausgelegt.

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Selbstverständlich sind die Besetzung des Nahen Ostens, die Reformierung des Islam, die Ausweisung von Millionen Migranten und die Schaffung einer neuen Gesellschaft auf Basis von Stämmen und Religionsgemeinschaften, die langsam durch ein europäisches Bildungssystem transformiert werden, ein langes, blutiges Projekt, das nebenbei eine Transformation Europas fordert. Aber es gibt keine ECHTEN Alternativen hierzu. Man könnte noch viel ärger Toleranz einfordern und noch lauter ein «Europa für alle fordern»; aber die von Saudi-Arabien finanzierten Salafisten beeindruckt man damit nicht. Ebenso wenig das Kalifat, dem es völlig egal ist, ob man für Multikulturalismus ist oder dagegen. Auch die Taliban, die den amerikanischen Einmarsch überlebt und sich durch das Scheitern des US-geleiteten state building in Afghanistan gekämpft haben und sich nun auf eine Revanche im Rahmen der guten alten tribalistisch-religiösen Politik vorbereiten, interessiert dies nicht.

Wenn also von einer Antwort der zivilisierten Welt auf den Terrorismus gesprochen wird, muss endlich eingesehen werden, dass alle antiterroristischen Maßnahmen scheitern müssen, wenn man dem Problem nicht auf den Grund geht. In diesem Falle den brennenden Nahen Osten. Ein rein militärisches Vorgehen — beispielsweise die Vernichtung des Islamischen Staates — ist ebenfalls keine Lösung, da in einer derart stark religiös geprägten Region schlicht und ergreifend ein neues Kalifat entstehen wird, das noch mehr Blut trinken und noch mehr Krieg fordern wird. Andererseits muss der Versuch, dort Staaten zu schaffen, wo Stämme regieren, jedes Mal scheitern, so wie er im Irak gescheitert ist, wo die irakische Nationalarmee in Panik vor dem IS geflüchtet ist. Staatliche Strukturen und Steuerungsmechanismen funktionieren hier nicht und werden es in naher Zukunft auch nicht. Es wird Zeit, dass Europa einsieht, dass Universalismus und Multikulturalismus zivilisatorische Sackgassen sind, die die globalen Probleme der Welt niemals lösen können.

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